Willkommen bei der Kolpingsfamilie Obergünzburg

Europa zu Gast in Obergünzburg

 

Kolpingfamilie lädt Europaabgeordnete Ulrike Müller nach Obergünzburg ein

 

Das große Europa stand letzten Donnerstag beim politischen Abend in Obergünzburg auf dem Programm. Frau Ulrike Müller (MdEP) kam dabei der Einladung der örtlichen Kolpingfamilie nach und sprach im evangelischen Gemeindehaus vor den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern über ihre Arbeit im Europäischen Parlament.

Zu Beginn begrüßte Theo Fürgut im Namen der Vorstandschaft die aus Brüssel angereiste Abgeordnete und stellte die gesammelten Themenwünsche vor. Auf der Agenda standen neben dem politischen Werdegang von Frau Müller auch der Tagesablauf und die Aufgaben einer EU-Abgeordneten. Auch aktuelle Europathemen, wie z.B. TTIP, CETA und die Milchkrise, sollten diskutiert werden.

So schilderte Frau Müller (selbst Mitglied der Kolpingfamilie Oberstaufen) zunächst ihre politische Karriere. Seit 1996 ist die Bäuerin in politischen Ämtern aktiv: Zunächst als Gemeinde- und Kreisrätin, dann als zweite Bürgermeisterin von Missen-Wilhams und stellvertretende Landrätin des Oberallgäus und ab 2008 als Mitglied im bayerischen Landtag (Freie Wähler). Mit der EU-Wahl im Jahr 2014 wurde sie Mitglied des Europäischen Parlaments.

Angesichts ihrer praktischen Erfahrungen im Agrarbereich – Frau Müller ist Landwirtin im familieneigenen Milchviehbetrieb – liegt der Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit auf der Landwirtschaft. Bei der parlamentarischen Arbeit in Brüssel und Straßburg stehen Plenarsitzungen und Ausschüsse auf der Tagesordnung sowie die Tätigkeit in der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE).

Im Anschluss an die Vorstellung ihrer politischen Arbeit erläuterte Frau Müller aktuelle Europathemen. Im Mittelpunkt stand dabei TTIP, das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Die Befürchtung der Anwesenden: Ein Aufweichen und Umgehen von Verbraucherschutz- und Umweltstandards. Müller bestätigte dies: In den bisherigen Ausarbeitungen ließen sich kaum Kompromisse zwischen den beteiligten Handelspartnern finden. Ihrer Voraussicht nach werde es das Papier nicht bis in die Endabstimmung schaffen. Dagegen spreche auch, dass sich Handelsüberschüsse bisher auch ohne Freihandelsabkommen erzielen ließen. Hierfür sei kein supranationaler Vertrag notwendig, so Müller weiter.

Nicht ganz so einfach sei die Sache bei CETA, dem europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen. Hier zeigte sich Müller selbst „hin- und hergerissen“: Das Gros der Bürgerinnen und Bürger spreche sich vor dem Hintergrund der TTIP-Befürchtungen auch gegen dieses Handelsabkommen aus. Dabei seien die Standards hier anders geregelt, so Müller. Die Kanadier akzeptierten beispielsweise die europäischen Ursprungskennzeichnungen. Müller sieht sich hier in einer Zwickmühle: Einerseits fühle sie sich der Fraktion der Freien Wähler verpflichtet (diese positionieren sich gegen das Abkommen), andererseits konnte sie sich vor Ort in Kanada von den Vorteilen des Abkommens überzeugen.

 

 

Dass die Mandatsträgerin nicht nur in der Umwelt- und Agrarpolitik mitmischt, zeigten ihre engagierten Berichte zur Flüchtlingskrise, der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik und den Themenfeldern Digitalisierung und Datenschutz.

Auch das Thema „Brexit“ – der Austritt Großbritanniens aus der EU – beschäftigt die Abgeordnete. Der Austritt habe massive Folgen für alle Beteiligten, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Zu befürchten sei auch, dass andere Staaten Großbritannien nachfolgen könnten. Die Brexit-Debatte werde von der europäischen Kommission daher nicht als „Kuschelkurs“ geführt, so Müller.

In einem Schlagabtausch aus Pro- und Kontraargumenten wurde die Aufhebung der Milchquote diskutiert. Als Verfechterin des „Wirtschaftsbetriebes Bauernhof“ sprach sich Müller gegen eine staatliche Regulierung aus. Nicht alle Anwesenden teilten diese Meinung und verwiesen auf die schwierigen Rahmenbedingungen der Milchbauern (Preisverfall, Russland-Embargo usw.). Beide Seiten waren sich jedoch einig, dass gerade die Region Allgäu von der Landwirtschaft profitiere und man stolz auf seine heimischen Produkte sein könne.

Nach zwei Stunden neigte sich ein interessanter Abend zu Ende, den Frau Müller mit ihrer herzlichen und bodenständigen Art kurzweilig gestaltete. „Man muss wissen, wo man herkommt“, so Müller auf die Frage nach ihrem Antrieb. Und ihr Tipp an alle Anwesenden: „Mitmischen und seine eigene Meinung bilden“.

Ähnlich hatte dies bereits Adolph Kolping formuliert: „Wer Mut zeigt, macht Mut.“ Mit diesen Worten wandte sich Kolping bereits vor knapp 200 Jahren an seine Gesellen. Wie aktuell dieses Zitat ist, zeigten die konstruktiven Diskussionen des politischen Abends.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Frau Müller für ihren Einblick in die Europapolitik und der evangelischen Kirchengemeinde für die Bereitstellung der Räumlichkeiten!

 

Carolin Haase